Lesung von Roman Grafe

13.11.2008
 

Der Samstag war doch sehr emotionsgeladen. Herr Grafe trug zu Beginn einige Passagen aus seinem Buch „Deutsche Gerechtigkeit", in der leider nur zur Hälfte gefüllten Aula der Grundschule, vor. Den Inhalt hatten wir schon mehrfach thematisiert. Die anschließende Diskussion hatte es in sich. Mit entsetzen wurde das geringe Interesse an unserer zeitnahen Geschichte angesprochen. Das heute lieber verdrängt, geleugnet oder verklärt wird. Dass es aber schon möglich war, in der DDR passiven Widerstand zu leisten, verdrängen viele. Wobei hier zwar mit Karriereeinbußen aber nicht unbedingt mit Gefängnis zu rechnen war. Diejenigen die es getan haben sind auch hauptsächlich mitverantwortlich an der friedlichen Revolution. Der Mut zum aktiven Widerstand hat dem Roman Grafe auch gefehlt.

Es ist schon traurig, dass Menschen wie Gysi in Talk-Shows gefeiert werden und keiner will verstehen, dass dies alles perfekt getimte Polemik ist. Es ist traurig, dass die PDS so allmählich auch in den alten Bundesländern salonfähig wird, dass Stasi-Mitarbeiter in deutschen Ämtern, Behörden und politischen Organen salonfähig werden. Auch den Versuch eine Lanze zu brechen, für die zu diesen Zeiten politisch und ideologisch Überzeugten, ließ Grafe nicht zu. Irgendwann müssten auch die Überzeugtesten gesehen haben, dass das Töten an der Grenze von unbewaffneten DDR-Flüchtlingen Mord ist. Im Gegenteil es wurde auf Grund von persönlichen Karierebestrebungen oder einfach nur mit dem Gedanken sich persönlich ein besseres Leben zu verschaffen, diese und andere Tatsachen in Kauf genommen und auch noch unterstützt.

Herrn Grafe wurde dafür gedankt, dass er diese Themen in aller Deutlichkeit anspricht.

Für einen kleinen Aufreger sorgte die Äußerung „Stasi-Dorf Hötensleben", was natürlich zu heftigen Protesten der Hötenslebener führte. Angeblich würde Hötensleben im Umfeld so betitelt, was mir persönlich auch neu ist. Die Welle der Entrüstung ist aber dabei schon vorstellbar. Es handelt sich vielmehr um ein Klischee, dass Orte im Sperrgebiet nur linientreue Einwohner hatten. Klar gab es Säuberungsaktionen wie Aktion Ungeziefer und Kornblume, die dienten aber vor allem zur Einschüchterung, ohne jetzt das Leid der Betroffenen herabzusetzen. So ist eben auch der passive Widerstand zu erklären.

Es waren interessante drei Stunden in der noch diverse Themen angeschnitten wurden. Diskussionsstoff war aber danach noch reichlich vorhanden. Wir vom Grenzdenkmalverein werden in Hötensleben versuchen, diese und andere Problem weiterhin durch Veranstaltungen zu thematisieren.

Es ist traurig, wie wenig diese Veranstaltungen von jungen Menschen wahrgenommen werden. Gerade jungen Menschen, die sich Ihre Zukunft aufbauen, muss es ins Bewusstsein rücken, dass eine Diktatur nie wieder eine Chance haben darf. Es ist traurig, wie wenig die Schulen und vor allem die Lehrer das Angebot wahrnehmen. Ich glaube nicht, dass Politikverdrossenheit und Dessintresse an Geschichte ein Erziehungsziel unserer Gesellschaft sein darf. In unseren nächsten Veranstaltungen werden wir uns gezielt an Jugendliche wenden. Ob wir sie erreichen ist von unserem Angebot aber auch vom Engagement der Lehrer abhängig. Unser Engagement eine Demokratie zu erhalten, ist in jedem Fall vorhanden.

 

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